Kritik am BMW I-ABS

In letzter Zeit ist das (Teil-)Integral-ABS von BMW die letzten Tage in die Schlagzeilen geraten und wurde auch in einer Sendung im ARD als Thema behandelt:

Sind BMW-Motorräder lebensgefährlich? (Quelle: tagesschau.de bzw. Sven Herold, Hessischer Rundfunk, Redaktion Plusminus)

Dem ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus liegen zahlreiche Berichte von erfahrenenen BMW-Fahrern vor, bei denen die Bremstechnik in kritischen Situationen nicht funktionierte. Dramatisch ist in diesem Zusammenhang: BMW kennt das Problem seit über einem Jahr.

Bei BMW-Motorrädern mit Integral-ABS häufen sich nach Recherchen von Plusminus Ausfälle des Bremsdruckverstärkers. Insgesamt könnten rund 250.000 weltweit ausgelieferte Motorräder von den Elektronikproblemen betroffen sein, darunter auch das Flagschiff K 1200 S. Plusminus liegen zahlreiche Fälle von BMW-Fahrern vor, bei denen in kritischen Situationen das Bremssystem versagte. Übrig blieb für die bis zu 400 kg schweren Maschinen nur die Restbremskraft.

Bei Sicherheitstraining gestürzt und verletztAuch das Kraftfahrtbundesamt ermittelt nach einem Unfall mit einem Verletzten. Auf einem Sicherheitstraining beim ADAC in Stuttgart war vor sechs Wochen ein Motorradfahrer nach einem Komplettausfall des ABS von seiner Maschine gestürzt und hatte sich eine komplizierte Schulterverletzung zugezogen. Auf dem Stuttgarter Gelände war dies im Abstand weniger Wochen bereits der zweite Fall eines ABS-Ausfalles an einer BMW-Maschine.

BMW ist seit Mitte 2004 informiertDas Integral-Bremssystem wurde vom Kraftfahrtbundesamt bereits Anfang des Jahres untersucht. Auslöser waren Hinweise des ADAC, dem bereits Mitte vergangenen Jahres mehrere Hinweise von Mitgliedern über Probleme mit der Bremse vorlagen. Die Münchner Techniker informierten daraufhin Mitte vergangenen Jahres BMW und das Kraftfahrtbundesamt. „Das ist für Motorradfahrer eine sehr kritische Situation, wenn das System in einer Gefahrensituation plötzlich nicht so funktioniert, wie man es gewohnt ist“, sagte der beim ADAC für Motorrad-Tests zuständige Ingenieur Ruprecht Müller gegenüber Plusminus.

BMW sieht keinen Anlass für Rückruf oder ÄnderungBMW bestätigt auf Anfrage von plusminus die Kenntnis der Sachlage, sieht aber keine generelle Gefährdung im Straßenverkehr. Bisher seien die Probleme nur in der „Sondersituation Fahrsicherheitstraining“ vorgekommen. Von einer ähnlichen Situation im Straßenverkehr habe man bisher keine Kenntnis. Einen Anlass für einen Rückruf der betroffenen Modelle sieht man in München nicht.

Nach Recherchen von plusminus ist der beobachtete Ausfall der Bremstechnik auf einen Spannungsabfall zurückzuführen. Das bestätigt auch BMW, da das ABS der Motorräder einen hohen Stromverbrauch habe. Dieser werde laut Angaben des Herstellers jedoch im „normalen Fahrbetrieb“ durch die Lichtmaschine ausgeglichen.

Probleme werden mit Alter der Maschinen zunehmenWie der erfahrene Zweiradgutachter Peter Goltzsche aber gegenüber Plusminus bestätigt, kann es auch in klassischen Situationen im Straßenverkehr zu einem Abschalten des System kommen. Bei Problemen mit der Batterie oder der Lichtmaschine sei das Bremsen dann nur noch mit der Restbremskraft möglich. Mit steigendem Alter der Maschinen würde die Anfälligkeit für dieses Problem deutlich ansteigen.

Experten: Rückruf nötigNach Aussage des Gutachters ist daher in Zukunft mit einer Häufung der Ausfälle zu rechnen. Diese Ansicht vertritt auch der ADAC. Nach Einschätzung der Experten müsste es eine Rückrufaktion für die 250.000 betroffenen Motorräder geben. Jedoch scheint das Problem so komplex, dass eine einfach Nachbesserung seitens des Hersteller derzeit nicht möglich ist.

Technischer HintergrundBMW ist der Vorreiter für ABS bei Motorrädern. Seit 2001 werden die Topmaschinen zusätzlich mit einem Bremskraftverstärker angeboten. Nach übereinstimmenden Meldungen von betroffenen BMW-Fahrern scheint diese Bremsunterstützung in entscheidenden Momenten ihren Dienst zu versagen.

Mit der Restbremskraft sind die zum Teil sehr schweren Motorräder nur mit großer Kraftaufwendung an der Handbremse und nach einem wesentlich längeren Bremsweg zum Stehen zu bekommen. Betroffen sind Maschinen ab dem Baujahr 2001 mit Integralbremssystem und Bremskraftverstärker. Die Höchstgeschwindigkeiten reichen bis 260 km/h. Über vergleichbare Probleme mit dem ABS an früheren Maschinen ist nichts bekannt.

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